Glaziologie für Anfänger
Meeresspiegelschwankungen
Aus kontinuierlichen Meeresspiegelmessungen lässt sich im Verlauf der letzten 50–200 Jahre ein Ansteigen des Meeresspiegels mit einer Rate von 1- 2 mm/a ableiten, die mit der rekonstruierten Erhöhung der globalen Temperaturen in diesem Zeitraum in Verbindung gebracht werden.
Eine solche Erwärmung, die natürliche oder anthropogene Ursachen haben kann, bringt die kontinentalen Eismassen aus dem Gleichgewicht, sie reagieren mit einem verstärkten Abschmelzen in der Ablationszone, bzw. einem Ansteigen der Gleichgewichtslinie, wie der Rückgang der alpinen Gletscher eindrücklich zeigt.
Eine Abschätzung der durch den Rückgang der alpinen Gletscher freigesetzten Wassermasse erklärt einen Meerespiegelanstieg von 0.2-0.4 mm/a. Weiterhin dehnt sich der Ozean selbst durch eine Klimaerwärmung thermisch aus.
Mit einem Temperaturanstieg von ca. 1,0 K seit 1880 ist so ein Anstieg des Meeresniveaus allein aufgrund dieser thermischen Ausdehnung von 0.3- 0.7 mm/a verbunden. Je nach Annahme der Beiträge dieser beiden Prozesse kann somit bereits der größte Teil des Meeresspiegelanstiegs erklärt werden. Noch ungeklärt ist der Beitrag, den die großen Eisschilde dazu leisten.
Modellrechnungen zeigen, dass eine Erwärmung des Klimas mit höheren Verdampfungsraten über den Weltmeeren verbunden ist. Daraus folgt möglicherweise ein höherer Wasserdampfgehalt der Atmosphäre und vermehrter Niederschlag, der über den Eisschilden zu einer positiven Massenbilanz führt. Bisherige Messungen und Modellrechnungen deuten auf einen positiven Beitrag des grönländischen Eisschildes zum Anstieg des Meeresspiegels im Verlauf des letzten und auch im kommenden Jahrhundert hin. In der Antarktis werden stattdessen negative Beiträge prognostiziert.
Dieses besondere Verhalten der Antarktis ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass das gesamte antarktische Eisschild ganzjährig unter dem Gefrierpunkt, also im Akkumulationsgebiet liegt.
Die Antarktis kann erst dann durch verstärktes Abschmelzen zu einer positiven Meeresspiegeländerung beitragen, wenn die Eisränder im Sommer über den Gefrierpunkt erwärmt werden. Damit ist voraussichtlich in diesem Jahrhundert noch nicht zu rechnen. Besondere Bedeutung im Bezug auf das Meeresniveau erlangt das westantarktische Eisschild, dessen Bodentopographie zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel liegt. Hohe Meeresspiegelstände könnten deshalb zu einem teilweise Aufschwimmen und damit einer Destabiliserung dieses Eisschildes führen.